„Mein Team hilft mir sehr – wir stützen uns gegenseitig“
Wer spricht schon gerne über den Tod? Jeder hat wohl ein komisches Gefühl dabei, es ist kein Thema, das uns tagtäglich betrifft. Doch für Pflegekräfte ist es etwas, das sie immer wieder einholt. Nathalie ist bereit auch mit uns über das Tabuthema Tod zu sprechen.
Wer bist du? was machst du? Warum pflegst du?
Ich bin Nathalie, 20 Jahre alt und noch in der Ausbildung zur Altenpflegerin. Nachdem ich ein Praktikum in einem Altenheim gemacht hatte wurde mein Opa pflegebedürftig und wurde von einem ambulanten Pflegedienst versorgt. Oft war ich dabei, als der Pflegedienst vor Ort war und ich wurde von den Pflegekräften mit eingebunden. Ich habe die Arbeit der Pflegekräfte bewundert, fand es schön, wie sie mit meinem Opa umgegangen sind. Das hat mich noch mehr darin bestärkt, diesen Job zu erlernen und selbst tagtäglich zu pflegen. Die alten Menschen sind auf uns angewiesen, sie können nicht ohne uns. Doch sie geben so viel zurück und zeigen viel Dankbarkeit. Ein Lächeln oder ein Dankeschön eines Bewohners rettet mir oft den Tag – das ist warum ich pflege.
Warum ist der Tod in der Pflege ein wichtiges Thema?
Der Tod gehört zum Leben dazu, gerade in einer Pflegeinrichtung. Es ist leider unwahrscheinlich, dass Pflegebedürftige das Heim noch einmal verlassen können. Das Pflegeheim ist häufig eine Endstation.
Warst du schonmal dabei, als ein Bewohner gestorben ist?
Nein, ich persönlich nicht. Komischerweise war ich immer in der Gegenschicht, hatte Schule oder war aus einem anderen Grund nicht auf der Station. Allerdings sind Kollegen oft dabei, wenn Bewohner sterben. Oft wollen Angehörige nachts nicht benachrichtigt werden oder Bewohner haben keinen Kontakt zu ihren Angehörigen, dann sind wir in den letzten Momenten ihres Lebens bei ihnen, dass sie diese nicht alleine verbringen müssen.
Wie war es für dich, also der erste Bewohner gestorben ist? An was kannst du dich erinnern?
Ich war schockiert. Die Bewohnerin ist nachts gestorben und als ich morgens auf die Arbeit kam, habe ich es erfahren. Es war ganz am Anfang meiner Ausbildung. Obwohl ich schockiert war musste in ihr Zimmer gehen, wollte sie noch einmal sehen. Ich war froh über diesen Anblick. Ich habe mich alleine und in Ruhe von ihr verabschiedet. Es war für mich dennoch ein „schöner“ erster Todesfall, denn als ich sie sah war sie bereits hergerichtet.
Wie gehst du mit Todesfällen um?
Ich verabschiede mich persönlich, streichele noch einmal über die Hände oder Wangen oder spreche meine letzten Worte zu ihnen. Oft bin ich auch bei der Abholung dabei, hier wird gesungen und die Person wird aus dem Haus getragen. Außerdem reden wir im Team sehr viel. Wir räumen Zweifel aus dem Weg, erinnern uns an die Person und an schöne Momente zurück. Wir sind ein sehr offenes Team, es gibt keine Vorwürfe und wenn jemand weint, wird er getröstet. Hier ist jeder für jeden da, wir stützen uns gegenseitig.
Welchen Tipp würdest du anderen (Pflegekräften/Angehörigen) geben zur Trauerbewältigung?
An andere Pflegekräfte: Macht euch bewusst, dass der Mensch deshalb ins Heim gekommen ist, weil er auf Hilfe angewiesen ist. Und macht euch bewusst, dass es euer Job ist, baut euch so eine kleine Schutzmauer auf, und schließt mit der Trauer ab, wenn der Verstorbene das Heim verlässt. Wenn ihr wisst, der Bewohner befindet sich in der Endphase, dann versucht diese möglichst schön für den Betroffenen zu gestalten. Achtet darauf, wie ihr mit dem Menschen sprecht, erinnert euch daran, was die Person gerne mag oder isst. Lest ihm vielleicht etwas vor oder sprecht mit den Angehörigen, wenn es einen Streit gab, dass dieser aus dem Weg geräumt wird. Handelt so, dass ihr danach kein schlechtes Gewissen haben müsst.
An Angehörige: Wenn der Tod absehbar ist, verbringt möglichst viel Zeit mit eurem Angehörigen und sammelt auch jetzt noch schöne Erinnerungen. Erfüllt letzte Wünsche oder klärt Konflikte, die noch im Raum stehen. Versucht die letzte Zeit möglichst angenehm und schön für euren Angehörigen zu gestalten, sodass ihr nach dem Tod ein gutes Gewissen habt.
Dein bewegendster Pflegemoment
Mein bewegendster Pflegemoment war das Waschen einer Bewohnerin nachdem sie gestorben war. Das Waschen der Bewohner ist für uns normaler Alltag, doch das Waschen der Toten war für mich ganz neu. Meine Kollegin hatte mich dazu gerufen, weil sie wusste, dass ich dir Bewohnerin gut kannte und sie mochte. Sie wollte sie nur mit mir waschen, weil sie dann Gewissheit hatte, dass sie die richtigen Personen gewaschen haben. Ich wusste zunächst nicht wie ich die Person anfassen sollte, hatte Angst ihr wehzutun, obwohl sie es nicht mehr spürte. Es war für mich ein sehr berührender Moment, aber es war eine gute Möglichkeit mich so von der Person zu verabschieden.
Meine Nachricht an die Gemeinschaft: Pflege so wie du auch gepflegt werden möchtest.